Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

21.02.2013   16:00   +Feedback

Pferd, Rind und Wiesel

Wer war oder ist der größte Zauberer aller Zeiten? Harry Houdini, 1874 als Erik Weisz in Budapest geboren, der mitten auf dem Times Square einen Elefanten verschwinden ließ? Oder David Copperfield, 1956 als David Seth Kotkin in einer Kleinstadt in New Jersey geboren, der ein Flugzeug, einen frei in der Luft schwebenden Waggon des Orientexpress und am Ende sogar die Freiheitsstatue verschwinden ließ?

Die korrekte Antwort lautet: Weder noch. Der größte Zauberer aller Zeiten ist der Rechtsanwalt Gregor Gysi, 1948 in Berlin geboren. Gregors Vater, Klaus Gysi, war ein verdienter Altkommunist, der im Dritten Reich Widerstand geleistet hatte, ein Umstand, der ihm in der DDR zu Amt und Würden verhalf – als Botschafter, Kulturminister und Staatssekretär für Kirchenfragen.

Sohn Gregor trat 1967 der Staatspartei SED bei; einer größeren Öffentlichkeit wurde er erst über 20 Jahre später bekannt, als er sich an die Spitze der Reformbewegung setzte und am 4. November 1989, also fünf Tage vor dem Mauerfall, in einer Rede vor 500.000 Menschen auf dem Berliner Alexanderplatz ein neues Wahlrecht forderte.

„Gregor Gysi agierte in der DDR in der grauen zweiten Reihe, was ihm ermöglichte, nach dem Zusammenbruch des SED-Regimes frisch rasiert in die erste vorzutreten“, schreibt C.C. Malzahn in der WELT. Aber Gysi war mehr als ein tüchtiger Konkursverwalter. Um einerseits das erhebliche Vermögen der SED zu retten, andererseits die Partei im Abgrund der „friedlichen Revolution“ verschwinden zu lassen, griff er zu einem Trick, wie ihn auch Rosstäuscher praktizieren, wenn sie Pferdefleisch zu Rindfleisch umdeklarieren.

Aus der SED wurde die PDS (Partei des demokratischen Sozialismus) und aus der PDS die Partei DIE LINKE. Es war das größte Zauberkunststück aller Zeiten. Nur Gysi blieb Gysi, ein sprachgewandter Wiesel, der die Rolle des Musterdemokraten so überzeugend spielte, dass sich kaum noch jemand an seine Zeit als Mitglied der DDR-Nomenklatura erinnern mochte.

Nun aber scheint ihn das Glück verlassen zu haben. Die Hamburger Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Gysi wegen des Verdachts einer falschen eidesstattlichen Aussage in eigener Sache. Wenn sich der Verdacht bestätigt, könnte es ihn seine Zulassung als Anwalt und seine Partei den Wiedereinzug in den Bundestag kosten.

Jetzt kann dem größten Zauberer aller Zeiten nur noch ein Wunder helfen.

 

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