Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

27.02.2013   23:58   +Feedback

Im Hafen von Brüssel

Langsam nehmen die Vereinigten Staaten von Europa Gestalt an. Da sind auf der einen Seite die wirtschaftlich intakten Geberländer wie Deutschland, Finnland, Österreich und Luxemburg, auf der anderen Seite die „failed states“ wie Griechenland, Portugal, Spanien und neuerdings auch Zypern. Dazwischen die unsicheren Kantonisten wie Frankreich und Italien, die einfach „too big to fail“ sind, weil sie unter keinen Rettungsschirm passen.

Und dann sind da noch Rumänien und Bulgarien, die 2007 in die EU aufgenommen wurden. Auch fünf Jahre nach dem Beitritt ist nicht klar, worin der Beitrag der beiden zur Europäischen Union besteht, wenn man mal davon absieht, dass sie mit je einem Kommissar in der EU-Kommission vertreten sind. Eine Bulgarin verwaltet das Ressort „Humanitäre Hilfe und Krisenschutz“, ein Rumäne ist für das Ressort „Landwirtschaft und ländliche Entwicklung“ zuständig.

Die Kommissare werden mit über 20.000. Euro monatlich entlohnt, es ist das Vierfache des durchschnittlichen rumänischen Jahreseinkommens.

Sie sind versorgt. Um ihre Landsleute kümmern sich andere. In Deutschland ist es eine „Bund-Länder-Arbeitsgruppe“, die sich mit der sogenannten „Armutszuwanderung“ aus Bulgarien und Rumänien beschäftigt.

Zwischen 2007 und 2011 sind 147.000 Bulgaren und Rumänen nach Deutschland gekommen. Kaum einer würde Deutsch sprechen, heißt es in einem Bericht der Arbeitsgruppe, die meisten würden von Sozialleistungen und Schwarzarbeit leben und Wuchermieten für ein Dach über dem Kopf zahlen. Die ohnehin klammen Kommunen wären überfordert, jetzt müsste sich der Bund des Problems annehmen. Oder am besten gleich die EU, die ja zu dem Zweck gegründet wurde, die Probleme zu lösen, die sie verursacht.

Aber: Die Zahl derjenigen, die immer noch glauben, die EU wäre in der Lage, irgendein Problem zu lösen, wird von Tag zu Tag kleiner. Die EU dagegen wächst und wächst. In diesem Jahr wird Kroatien als 28. Schiff im Brüsseler Hafen anlegen, obwohl die Kriterien in Bezug auf Korruption und Rechtsstaatlichkeit nicht erfüllt sind. Macht nichts. Auch bei Bulgarien und Rumänien hat man alle Augen zugedrückt. Jetzt ist Kroatien an der Reihe. Und der neue kroatische EU-Kommissar könnte das Amt für „Folgen der Armutszuwanderung“ übernehmen.

Erschienen in der Weltwoche vom 28.2.13

 

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