SPIEGEL online bringt heute einen extrem islamophoben Bericht über ein 12jähriges Mädchen in Saudi-Arabien, das an einen 80 Jahre alten Mann verheiratet wurde, sich gegen die Ehe wehrte und jetzt überraschend den Antrag auf Scheidung zurück zog. Ohne dass dies explizit gesagt wird, muss der Leser doch den Eindruck gewinnen, das Mädchen sei gegen seinen Willen verheiratet worden. Die Option, es habe sich aus freien Stücken zu der Ehe entschieden, wird nicht einmal angedeutet. Immerhin bietet die Heirat mit einem älteren Mann viele Vorzüge, die ein junger Bräutigam nicht bieten kann. Soziale Sicherheit, Kinder, die schon da sind und nicht versorgt werden müssen und schliesslich ein hohes Maß an sexueller Selbstbestimmung an der Seite eines Mannes, dessen sexuelle Bedürfnisse handstreichartig ohne großen körperlichen Einsatz erfüllt werden können.

Der Artikel suggeriert auch, die “Verheiratung von Kindern” habe etwas mit dem Islam zu tun: “Kleriker und Scharia-Richter verteidigen die Praxis, die auf islamischen und saudi-arabischen Sitten beruht.” Das ist reine Unterstellung. Im übrigen: Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. In “American Beauty” verliebt sich Kevin Spacey in die 16jährige Freundin seiner Tochter; der Film wurde mit fünf Oscars ausgezeichnet.

Nabokovs “Lolita” war gerade 12, als sie von ihrem Stiefvater Humbert Humbert verführt wurde. Der Roman gehört zu den wichtigsten literarischen Arbeiten des 20. Jahrhunderts.

Der inzwischen 80 Jahre alte Berliner Playboy Rolf Eden hatte noch mit 76 eine 26jährige Freundin, die er mit einer 27jährigen betrog; über Joschka Fischer kursiert in Berlin das Gerücht, er achte bei der Auswahl seiner Frauen darauf, dass das Gesamtalter immer gleich bleibt; die 60jährige Frau des nordirischen Regierungschefs, Iris Robinson, hatte eine Affäre mit einem 19jährigen. Das Durchschnittsalter der beiden lag bei knapp 40 Jahren, also nur unwesentlich unter dem Durchschnittsalter der 12jährigen aus Saudi-Arabien und ihres 80 Jahre alten Ehemannes.

Was also in vielen Kulturen gang und gäbe ist, wird skandalisiert, wenn es um Moslems geht. Das ist Islamophobie. Mehr zu diesem Thema demnächst bei Thomas Steinfeld in der SZ.