Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

07.02.2003   12:03   +Feedback

Die Schmöcke der Woche: Alfred, Franz und Ingrid - Die Achse der Blöden

Die letzten Wochen waren so turbulent, dass wir jeden Tag einen anderen “Schmock der Woche” hätten küren können. Den DGB-Chef von Bayern, Fritz Schlösser, zum Beispiel, der gesagt hat: “Jeder Ami, der gegen Krieg ist, ist willkommen”, nachdem das US-Außenamt amerikanische Bürger vor Reisen nach München gewarnt hatte. Oder Jürgen Fliege, den nachmittäglichen Schmierlappen der ARD, der in der Hauptstadt der Bewegung zu einer Demo im Zeichen des brennenden Kreuzes aufrief, so wie früher der Ku-Klux-Klan in Alabama seine Aufmärsche inszenierte. Oder (nein, nicht schon wieder!) die ständig “Gegen das Vergessen!” ihres eigenen Alters ankämpfende Iris Berben, Trägerin des Leo-Baeck-Preises und Empfängerin des “Bambi für Zivilcourage”, die zur Eröffnung der Berlinale den hinreißenden Satz sagte: “Entweder ich bekomme selber einen Preis oder ich sitze in der Jury.” Angesichts des Angebots kamen wir uns vor wie ein Ossi gleich nach dem Fall der Mauer an der Käsetheke im KaDeWe: vollkommen überfordert.

Deswegen haben wir beschlossen, den “Schmock der Woche” zu teilen, genauer: zu dritteln. So kommen zwar nicht alle dran, die ihn verdient hätten, aber es sind immerhin mehr als nur einer.

Drittelschmock Nr. 1: Alfred Mechtersheimer

Preisträger Alfred Mechtersheimer (klicken zum Vergrößern)
PreisträgerAlfred Mechtersheimer

Einer, der schon lange fällig war, ist Alfred Mechtersheimer, ein Mitbegründer der Grünen und Abgeordneter in der ersten Bundestagsfraktion der Öko-Partei von 87 bis 9o. Und so wie grünes Laub beim Verwelken braun und brauner wird, hat sich auch A.M. konsequent weiter entwickelt. Heute ist er ein praktizierender Deutschnationaler und bekennender Antisemit. Von Starnberg aus betreibt er seine “Deutschland-Bewegung” und vertreibt Schriften mit Titeln wie: “Deutschland in Gefahr” und “Rückreise statt Einwanderung!” In seinem letzten “Argumentationspapier” analysiert er die Situation in Deutschland nach der letzten Bundestagswahl. Unter Punkt 6 (magische Zahl!) macht er sich Gedanken über den “Antisemitismus”. Da lesen wir:

“Antiamerikanismus und Antisemitismus sind zwei Seiten derselben Medaille. Zu eng sind die Beziehungen zwischen den USA und Israel, um dies trennen zu können. Der allseits beklagte ‘wachsende Antisemitismus’ ist im Grunde ein Schritt zur Normalität. Eine spezifische Kritik an Juden ist historisch und international überall zu beobachten…”

A.M., 1939 geboren, ist ein durch und durch ehrlicher Mann. Während andere Antisemiten um den heißen Brei herum reden und alles, nur keine Antisemiten sein wollen, legt er aus freien Stücken ein Geständnis ab: Ich bin einer, und es ist richtig so! Was unsereiner durch Analogien und Indizien mühsam zu beweisen versucht, dass Antiamerikanismus und Antisemitismus in der Tat zwei Seiten derselben Medaille sind, das stellt er einfach als Faktum fest, als Rückkehr zur Normalität. Auch das haben wir schon lange geahnt: Normal ist, wenn ein Antisemit ganz entspannt “Saujuden!” rufen kann, ohne sich dafür schämen oder rechtfertigen zu müssen. Es ist doch nur eine “spezifische Kritik” an den Juden, die demokratisch legitimiert ist. Willkommen in der Normalität, seid gegrüßet in der deutschen Heimat!

Drittelschmock Nr. 2: Franz Alt

Preisträger Franz Alt (klicken zum Vergrößern)
Preisträger Franz Alt

Der zweite Drittelschmock ist Franz Alt, Moderator, Moralist und Alimenteverweigerer, bekannt aus Funk und Fernsehen und von evangelischen Kirchentagen. Alt hat von 1972 bis 1992 “Report” im SWF moderiert und leitet heute die “Zukunftsredaktion” im Südwestrundfunk, denn was einer hinter sich hat, davon versteht er besonders viel. Daneben schreibt er auch, zuletzt einen Aufsatz über “Frieden durch Gerechtigkeit” oder wie die Bergpredigt “als Antwort auf den 11. September” dienen könnte. Man wisse nicht, “ob die USA in ihrer Trauer wüten oder in ihrer Wut trauern werden”, in jedem Falle wäre es zu wünschen, wenn sie “statt einer militärischen Anti-Terrorkoalition eine weltweite Anti-Hungeraktion” starten würden. Donuts für alle! Dazwischen, er kann nicht anders, sinniert er über das “alttestamentarische ‘Auge um Auge, Zahn um Zahn’” und macht sich so seine Gedanken über “zionistische Kreise” und “heilige Kriege”. Das Beste aber kommt zum Schluss: Franz Alt fordert ein Ende des Nahost-Konflikts, einen “gerechten Ausgleich zwischen Israel und Palästina”. Das wäre noch nicht verkehrt, wenn er nicht gleich dazu setzen würde: “Ohne Nahost-Lösung kein Weltfrieden!”

Und das klingt doch irgendwie vertraut. Hieß es früher, als die deutsche Friedensbewegung noch unter dem Namen “NSDAP” firmierte: “Ohne eine Lösung der Judenfrage keine Erlösung der Menschheit!”, heißt es heute: “Ohne Nahost-Lösung kein Weltfrieden!”

Das sehen wir genauso. Sobald die Israelis und die Palästinenser ihren Konflikt beigelegt haben, werden die Katholiken und die Protestanten in Belfast mit dem Abbau der Straßensperren beginnen und lauter ökumenische Joint Ventures gründen. Im Sudan werden die Stämme im Norden und im Süden sofort die Kämpfe einstellen, im Kongo werden drei Millionen Kriegstote wieder zum Leben erwachen. Indien und Pakistan werden Kaschmir aufgeben und in die Unabhängigkeit entlassen, China wird das besetzte Tibet freiwillig räumen, die Türken werden die Armenier um Vergebung bitten und den Kurden Autonomie gewähren, und die Bayern werden aufhören, die Franken als Deppen zu diskriminieren. Aber zuerst muss in Nahost eine Lösung gefunden werden, sonst kommen alle anderen nicht von der Stelle.

Drittelschmock Nr. 3: Ingrid Newkirk

Preisträgerin Ingrid Newkirk (klicken zum Vergrößern)
PreisträgerinIngrid Newkirk

Der dritte Drittelschmock, in diesem Fall Schmockine, ist eine Frau namens Ingrid Newkirk, die in einem früheren Leben wahrscheinlich Neukirchen geheißen hat, Präsidentin der PETA, People for the Ethical Treatment of Animals. Sie hat einen Brief, der mit den Worten “Your Excellency” anfängt, an Jassir Arafat geschrieben und ihn gebeten, seinen ganzen Einfluss geltend zu machen, “to leave the animals out of this confict”. Die Palästinenser sollten darauf verzichten, Tiere als lebende Bomben nach Israel zu schicken, nachdem am 26, Januar ein mit Sprengstoff beladener Esel in Jerusalem bei einer ferngezündeten Explosion in Stücke gerissen wurde. Gefragt, warum sie Arafat nicht gebeten habe, mit dem “blowing up” von Menschen aufzuhören, antwortete Ingrid Newkirk, Präsidentin der PETA, es sei nicht ihre Aufgabe, sich “in menschliche Kriege einzumischen”.

Optimal wäre es natürlich, wenn Frau Newkirk sich einen Dynamitgürtel um den Leib binden und sich in ihrem eigenen Garten in die Luft jagen würde, um menschliche und tierische Opfer zu vermeiden. Aber so viel Idealismus kann man nicht einmal von einer ausgewachsenen Schmockine erwarten. Schade.

HMB, 7.2.2oo3

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