Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

30.03.2013   01:31   +Feedback

Mr. Livingston meets Mr. Lüders - Great Minds Think Alike

Ich mag die Schweiz. Kein zweites Land in Europa ist so zivilisiert und so kosmopolitisch. Von den rund acht Millionen Einwohnern der Alpenrepublik sind etwa 1.8 Millionen Ausländer, das sind knapp 23%. Nur in Kreuzberg ist der Anteil der “Menschen mit Migrationshintergrund” noch höher. Die Qualität der Waren und Dienstleistungen ist einzigartig. Das Essen - egal ob in einer Kaschemme auf dem Lande oder in der Zürcher Kronenhalle - konkurrenzlos gut. Was den Schweizern an Herzlichkeit und Spontaneität fehlt, das machen sie durch Höflichkeit und Hilfsbereitschaft wett. Es stimmt auch nicht, dass die Schweizer asexuell sind und sich vermehren, indem sie ein Bankkonto aufmachen. In Zürich z.B. gibt eine sehr vitale Rotlichtszene, in den Pornokinos bekommen Rentner, ebenso wie Armeeveteranen, 15% Rabatt. In nur 100 Jahren haben es die Schweizer zu einem beispiellosen Wohlstand gebracht. Armut und Not kennen sie nur aus den Geschichten von Jeremias Gotthelf und Gottfried Keller. Auch das Regierungssystem ist einzigartig. Es gibt weder einen Staats- noch einen Ministerpräsidenten. Die Regierung, der so genannte “Bundesrat”, besteht aus sieben gleichberechtigten Ministern, die das Land kollektiv regieren und repräsentieren. Die Macht liegt bei den Kantonen. Die bestimmen, wie hoch die Steuern sind und wer eingebürgert wird. Über wichtige Themen - Kernkraft, Minarette, Banker-Boni - wird erst ausgiebig diskutiert und dann in Volksabstimmungen entschieden.

Und anders als die Deutschen, die Österreicher und die Franzosen haben die Schweizer keine offene Rechnung mit den Juden. Der Schweizer Antisemitismus war nie gewalttätig, sondern gepflegt und gediegen - wie alles in der Schweiz. Ja, es gab einzelne Fälle von unterlassener Hilfeleistung, wie im Falle von Else Lasker-Schüler, es gab die “Das-Boot-ist-voll”-Politik, aber keine aktive Judenverfolgung. Die Schweizer haben also keinen “Judenknacks”, den sie loswerden müssten. Oder allenfalls einen ganz kleinen, den sie an Israel abarbeiten, indem sie zum Beispiel einen Lobbyisten und Firmenberater als unabhängigen “Nahostexperten” zu Wort kommen lassen, einen aufgeblähten Dummschwätzer, der aus der Tatsache, dass Osama Bin Laden während einer Videoaufnahme seine Kalaschnikow neben sich an die Wand gelehnt hatte, folgerte, die mit Morddrohungen gespickte Ansprache sei eigentlich ein “Friedensangebot” gewesen. Ein Jammer, dass Osama Bin Laden als Interviewpartner für das Schweizer Radio nicht mehr zur Verfügung steht. Aber da gibt es immer noch eine Wasserpfeife namens Lüders:

betr.: http://etwasanderekritik.wordpress.com/2013/03/25/michael-luders-phantastische-erzahlungen-am-schweizer-radio/

26.3.13
sehr geehrter herr bolliger,
mit entsetzen habe ich das transskript eines “interviews” gelesen, das frau brunner mit dem “nahostexperten” lüders geführt hat; von einem interview kann dabei nicht die rede sein, frau brunner ist die stichwortgeberin für herrn lüders, an keiner stelle widerspricht sie ihm oder stellt eine nachfrage, nicht einmal an der stelle, an der herr lüders in allerbester antisemitischer tradition behauptet, israel sei der schwanz, der mit dem hund amerika wedelt. dabei muss man herrn lüders freilich zugute halten, dass er aus seiner tätigkeit als lobbyist arabischer interessen und berater deutscher firmen, die geschäfte im nahen osten machen wollen, kein geheimnis macht. das hat frau brunner nicht davon abgehalten, ihn den hörern als quasi unabhängigen und objekten experten vorzustellen. würden sie jemand, der für gasprom arbeitet, über die zustände in russland interviewen? ohne die hörer wenigstens darauf aufmerksam zu machen, welche interessen er vertritt?
ich weiß um die “antizionistische” stimmung in der schweiz, um den boykott von produkten aus den “besetzten gebieten”, also der westbank und nicht etwa tibet, um die aktivitäten von hamas-freunden wie daniel vischer. aber von einem öffentlich-rechtlichen rundfunk erwarte ich mehr professionalität und mehr anstand. wäre ich ein schweizer bürger, würde ich die zahlung der gebühren verweigern. als deutscher kann ich nur sagen: sie sollten sich schämen.
mit sonnigen grüßen aus virginia
b

26.3.13
Sehr geehrter Herr Broder
Ich habe Ihr Schreiben erhalten und leite es weiter an Susanne Brunner.
Mit besten Grüssen
Michael Bolliger

26.3.13
sehr geehrter herr bolliger,
wenn ich mich an frau brunner hätte wenden wollen, hätte ich ihr direkt geschrieben.

ich habe aber ihnen geschrieben, weil sie der chef und verantwortlich dafür sind, was über den sender geht. das “interview” mit herrn lüders liegt vor, wer herr lüders ist, können sie seiner eigenen homepage entnehmen. deswegen erwarte ich von ihnen eine antwort und nicht von frau brunner, die sich in ihrem “interview” mit lüders selber disqualifiziert hat.

ich finde es enttäuschend, dass sie so reagieren wie ein intendant der ARD. tiefer kann man kaum sinken.
gruss
b

28.3.13
Sehr geehrter Herr Broder
Vielen Dank für Ihre kritische Rückmeldung.

Sie monieren unsere Gästeauswahl. Ich kann Ihnen aber versichern, dass wir stets darum bemüht sind, möglichst „neutrale“ Gäste zu finden – oder wenn dies nicht möglich ist, über die Zeit ein ausgewogenes Verhältnis zu erzielen. Michael Lüders ist denn auch nicht in eine Israel-feindliche Ecke zu stellen. Sicher, die Regierung von Israel wird im Gespräch kritisiert. Aber was unser Gesprächspartner Michael Lüders da an Argumenten vorträgt, kann man auch in Zeitungen lesen, denen man kaum Israel-Feindlichkeit vorwerfen kann: z.B. in der NZZ, in der FAZ oder im „Economist“. Meines Erachtens überschreitet Lüders an keiner Stelle die in der breiten internationalen Kritik gezogenen Linie.

Der Vorwurf des Antisemitismus (offen oder verborgen) ist haltlos und an keiner Stelle zu belegen. Lüders Argumentation ist breit angelegt. Er versucht immer neu die komplexen regionalen und internationalen Zusammenhänge ins Spiel zu bringen. Und er weist auf die Veränderungen in der politischen Landschaft Israels hin, auf die Macht der Siedler und ihrer Lobby.

Auch kritisieren Sie Lüders‘ Formulierung, Israel sei der Schwanz, der mit dem Hund USA wedle. Ich erinnere Sie daran, dass der israelische Unterhändler des Oslo-Abkommens, Yair Hirschfeld, auf die Frage, ob Israel tatsächlich den USA die Nahostpolitik diktieren könne, lachend antwortete: „Wissen Sie, die USA vergessen manchmal, dass sie eine Supermacht sind.“ Ein antisemitischer Israeli?

Bemerkenswert scheint mir folgendes Zitat aus dem von Ihnen kritisierten Tagesgespräch:
„Kritik an Israel gilt gemeinhin als nicht wünschenswert, als israelkritisch, potenziell antisemitisch. Das ist aber Unsinn. Ich glaube, man kann sehr wohl ein sehr guter Freund Israels sein und sich einsetzen für eine gesicherte Existenz Israels – und gerade deswegen, als Freund Israels, muss man den Israelis sagen: Leute, ihr geht in eine politische Richtung, die eine Sackgasse ist, aus der ihr nicht mehr herauskommt. Und ihr verliert Eure moralische Überlegenheit, wenn ihr Methoden anwendet, die mit dem Völkerrecht nicht zu vereinbaren sind.“

Sie dürfen eine ausgewogene Berichterstattung erwarten, und wir – das kann ich Ihnen versichern – bemühen uns Tag für Tag, diesen berechtigten Anspruch umzusetzen!

Mit freundlichen Grüssen
Mark Livingston
Redaktionsleiter
Rendezvous/Tagesgespräch
Schweizer Radio und Fernsehen

29.3.13
sehr geehrter herr livingston,

ja, ich erinnere mich. als yair hirschfeld den satz sagte: ” „Wissen Sie, die USA vergessen manchmal, dass sie eine Supermacht sind”, stand ich direkt neben ihm. deswegen habe ich auch mitbekommen, dass er gleich hinterher sagte: “I do really hope the morons from Swiss radio will never get it. They might get it wrong.”
damit können nur sie und ihre kollegen aus der redaktion rendezvous gemeint gewesen sein.
weiterhin gutes schaffen im dienste einer ausgewogenen berichterstattung.
b.

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