Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena
13.08.2012 17:25 +Feedback
Seit es immer einfacher wird, einem einst vornehmen Verein beizutreten - sogar American Express und Diners Club, für die man früher Bürgen brauchte, nehmen heute jeden Sozialhilfeempfänger - verspüren immer mehr Menschen das Bedürfnis nach etwas wirklich Abgehobenem, Exklusivem, Handgeschöpftem.
Wenn schon rheinische Zombies wie “Die Geissens” im eigenen Rolls Royce durch Monaco cruisen und dabei den Verdacht bestätigen, dass Dummheit und Geld die Voraussetzungen fürs Glücklichsein sind, dann bleiben einem, der seinem Leben einen Sinn verleihen will, nicht allzu viele Optionen. Im Prinzip nur zwei: Die einen treten Al-Kaida bei und ziehen in den “Heiligen Krieg”, die anderen treten zum Judentum über. Wobei es wesentlich schwieriger ist, zum Judentum zu konvertieren als Al-Kaida beizutreten. Aber das macht ja gerade die Exklusivität eines Vereins aus, dem weltweit 14 Millionen Menschen angehören, das sind vier Millionen weniger als im ADAC organisiert sind.
Sind bis 1945 nur wenige Deutsche zum Judentum übergetreten, weil die damit verbundenen Folgen unangenehm sein konnten, so werden es inzwischen immer mehr. Der deutsche Sprecher der “Neturei Karta”, einer antizionistischen Sekte, die aus Durchgeknallten, Irren und Psychopathen besteht, ist ein zum Judentum konvertierter Pfälzer Bauernbub, ein Trittbrettfahrer, der sich zum Schaffner vorgearbeitet hat und nun Vorträge über das authentische, das wahre Judentum hält, das von einem Potz wie ihm repräsentiert wird. Für ihn eine prima Gelegenheit, seinen eigenen antisemitischen Schweinehund von der kurzen Leine zu lassen.
Ebenso flott, wenn auch nicht ganz so radikal, treibt es der Rektor des Abraham Geiger Kollegs für die Ausbildung von Rabbinerinnen und Rabbinern in Potsdam, Rabbiner Walter Homolka. Einen sochen Gschaftlhuber und Adabei wird man zwischen den Aleuten und den Falkland-Inseln kein zweites Mal finden. Es war ihm nicht genug, sich zum Juden umstylen zu lassen, er musste auch Rabbiner werden, um nun andere Konvertiten zu Rabbinern auszubilden. Das ist etwa so, als würde eine Nonne in einem Puff ein Kloster aufmachen, um dort Nonnen auszubilden.
Jetzt freilich hat der umtriebige Homolka einen Dämpfer bekommen. Sein Kolleg wird doch keine Fakultät. Dabei hat der hochbegabte Netzwerker dafür jahrelang an allen Strippen gezogen und sogar mit Abwanderung in ein anderes Bundesland gedroht, wenn ihm Brandenburg den Wunsch nicht erfüllt. Das ist Judentum a la carte: Darf es auch a bisserl weniger sein?
In die gleiche Kategorie des Lifestyle-Judentums gehört auch die TV-Praktikantin Bärbel Schäfer. Von Liebe getrieben ist sie zum Judentum übergetreten.
Statt aber nun, wie es sich für eine jüdische Frau und Mutter gehört, daheim zu sitzen und alle die Gebote - immerhin 613 - zu beachten, die man ihr im Konversionskurs beigebracht hat, bringt sie nun den armen nicht-jüdischen Deutschen das Judentum bei, heute abend um 23.15 Uhr bei RTL:
Sie ist eine der bekanntesten Fernsehmoderatorinnen Deutschlands, Ehefrau von Michel Friedmann und Jüdin: Bärbel Schäfer. Schon vor ein paar Jahren ist sie zum Judentum konvertiert. Erstmalig nimmt sie die Zuschauer nun mit auf eine Reise durch eine Welt, die sich meist nur unter hohen Sicherheitsvorkehrungen abspielt. Doch hinter den Mauern und strengen Blicken der Polizisten, begegnet sie einem blühenden jüdischen Leben - und einem Humor, der sich gewaschen hat. Auf einer Beschneidungszeremonie trifft Bärbel Schäfer auf einen Vater, der sich an seine eigene Beschneidung zwar nicht mehr erinnert, aber vor Angst am liebsten den heiligen Wein austrinken will. Aber Bärbel Schäfer ist nicht nur Beobachterin. Sie greift auch selbst zum Messer, allerdings nur in der koscheren Kochschule. Beim anschließenden Dinner mit jüdischen Persönlichkeiten wie Regisseur Leo Khasin, Sängerin Sharon Brauner und Playboy-Legende Rolf Eden, geht es verbal zur Sache. Was ist koscher, was nicht? Und darf man an Shabbat, dem heiligen Ruhetag, eigentlich Sex haben? ‘Meine Welt ist jüdisch’ ist eine humorvolle Entdeckungstour durch jahrtausende alte Traditionen, die heute in Deutschland endlich wieder gelebt werden. Mit faszinierenden Ritualen, koscheren Kochkünsten und Meschugge Partys.
Und so erfahren wir, Bärbel sei Dank, endlich, woraus das Judentum besteht: Faszinierenden Ritualen, koscheren Kochkünsten und Meschugge Partys, wenn auch hinter den Mauern. So haben die Israeliten vor Tausenden von Jahren im ägyptischen Exil gefeiert, bis sie Hausverbot in der Pharao- Disco bekamen und daraufhin in ein Land gezogen sind, in dem die DJs ihren faszinierenden Ritualen nachgehen konnten. Aber, war da nicht noch was, das mit A anfängt uns mit mus aufhört? Oder mit P losgeht und mit grom aufhört? Oder diese Nummer mit den Zehn Rezepten für ein Promi-Dinner in der Wüste?
Never mind. Das muss Bärbel nicht wissen. Ein blinder Passagier interessiert sich auch nicht für das Kleingedruckte in den Beförderungsbedingungen. Er will nur preiswert ans Ziel.
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