Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena
20.11.2012 19:16 +Feedback
Dass Ryan Air ab und zu notlanden muss, weil dem Flieger der Sprit ausgegangen ist, daran haben wir uns inzwischen gewöhnt. Aber KLM, die niederländisch-königliche Luftfahrtgesellschaft, die 2004 mit der Air France fusionierte? Hat die das nötig? Offenbar ja.
Der KLM-Flug 1824 sollte um 12.05 in Tegel abheben. Etwa eine halbe Stunde vorher hieß es, der Abflug würde sich wegen der schlechten Wetterbedingungen in Schiphol um 35 bis 40 Minuten verzögern. So weit, so gut. Ich nutzte die Zeit, um meine Kolumne für die WeWo zu schreiben und ein paar Ehepaaren bei wortloser Kommunikation zuzusehen. So etwas, verknüpft mit der Vorstellung, was die so machen, wenn sie im Hotel einchecken, finde ich immer sehr aufregend.
Viertel vor eins ging es los. Gegen zwei, kurz vor der Landung in Schiphol, gab der Pilot bekannt, die Wetterverhältnisse hätten sich dermaßen verschlechtert, dass er in Brüssel landen müsste. Mein Gott, dachte ich, das ist die Strafe dafür, dass wir uns am Abend vorher über die EU und deren Verweser lustig gemacht haben! Ich sah mich schon von Brüssel nach Amsterdam in einem alten Bus rollen, in dem es nach Bier und Pommes roch. Aber es kam anders. Der Pilot korrigierte seine erste Durchsage. Die Wetterverhältnisse in Schiphol seien zwar schlecht, aber nicht so schlecht, dass eine sichere Landung unmöglich gewesen wäre. Man habe ihn eine Warteposition zugewiesen, in der er 30 bis 40 Minuten über Schiphol hätte kreisen müssen. Aber dafür habe er nicht genug Sprit an Bord gehabt, also habe er sich entschlossen, in Brüssel zu landen, um das Flugzeug aufzutanken.
Ich fand, auf diese Idee hätte er auch schon in Berlin kommen können, nachdem er erfahren hatte, wie tief der Nebel über Schiphol lag. Aber offenbar ist das Flugbenzin in Brüssel billiger. Als der KLM-Flug 1824 schließlich kurz vor vier Uhr in Schiphol landete, hatten die meisten Passagiere ihre Anschlussflüge schon verpasst. Ich rannte vom Gate C5 zum Gate E19, um den KLM-Flug 0621 von Schiphol nach Atlanta um 16.40 zu erwischen, denn der war nicht verspätet. Vorbei an all den wunderbaren Geschäften und Sonderangeboten, für die Schiphol berühmt ist. Seid vergessen, Gouda und Bessen Genever, Stroopwafels und Jodekoeken, Pindakaas und Gemberkoek, Rademaker Hopjes und Droste Kakao, Vanille Vla und Erwtensoep! Ich schaffte es grade noch, im Vorübergehen ein Saucijzenbroodje abzugreifen, bevor ich mich erschöpft in meinen Sitz im nagelneuen Airbus A 330 fallen liess. Mir war alles recht, wenn es nur nicht wieder über Brüssel ging.
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