Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena
17.02.2012 05:31 +Feedback
„Klau mich!“ hieß ein Buch, das im Revolutionsjahr 1968 in der Frankfurter Edition Voltaire erschien, geschrieben bzw. kompiliert von Rainer Langhans und Fritz Teufel, den bekanntesten Anarchisten der Bonner Republik. Der Titel war ernst gemeint, alles sollte „vergesellschaftet“ werden, auch jede Form des geistigen Eigentums.
Letztes Wochenende, 44 Jahre später, demonstrierten in über 50 deutschen Städten einige Zehntausend Menschen gegen das so genannte ACTA-Abkommen, mit dem das Marken- und Urheberrecht im Internet geschützt werden soll. Die EU und über 30 Staaten sind dem Abkommen bereits beigetreten, Polen, Tschechien, die Slowakei und die Bundesrepublik überlegen es sich noch. Allein in München gingen 20.000 Menschen auf die Straße, um bei sibirischer Kälte gegen die geplante „Zensur im Internet“ zu protestieren. „Während der insgesamt über zwei Stunden dauernden Veranstaltung herrschte Festivalstimmung, unter den überwiegend sehr jungen Teilnehmern fanden sich biertrinkende Punks ebenso wie Metalfans, die friedlich nebeneinander standen“, schrieb ein Szene-Magazin über die Party, „bei der sich die Onlinekultur selbst feierte“.
Man könnte auch sagen: Die Generation Umsonst gab sich die Ehre. Aufgewachsen mit der Vorstellung von „Staatsknete“, die nicht erarbeitet werden muss, und mit der Überzeugung, dass etwas, das man „downloaden“ kann, auch einem gehört, findet sie allein schon die Idee des geistigen Eigentums ungehörig. Sich nicht nach Belieben bedienen zu dürfen, kommt einem Eingriff in das Grundrecht auf freie Entfaltung gleich. Dementsprechend treten die Sprecher der Generation Umsonst auch für das bedingungslose Grundeinkommen für alle, freie Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel und mietfreies Wohnen ein.
Es sind mitnichten Ideen aus der virtuellen Welt der „Nerds“. Wie weit man mit einem geklauten Fahrschein kommen kann, hat Karl Theodor zu Guttenberg bewiesen. Und der noch amtierende Präsident der Bundesrepublik ließ sich ebenfalls gerne alimentieren.
Man muss kein Punk sein, um bei der Generation Umsonst mitmachen zu können.
Erschienen in der Weltwoche, 16.2.12
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