Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

13.08.2009   04:10   +Feedback

Royals In The Hood 7

Wenn es um Essen geht, bin ich ziemlich unkompliziert. Eine Tom Kha Gai Suppe, danach eine Portion Pad Thai Nudeln oder Panäng Gung Shrimp und hinterher eine Zabaione sind mehr als genug. Oft reicht auch ein Tellegericht wie General Tso’s Chicken. Ganz anders dagegen meine Freunde Maurice und Rachel. Sie essen bewusst, kaufen nur in ausgewählten Geschäften ein, meiden Pasta, Reis, Kartoffeln und Brot. Pita ist okay, muss aber Vollkorn sein.

Es ist deswegen nicht einfach, mit Rachel und Maurice außer Haus zu essen. Ich schlage das Lemon Grass vor, als Alternative das Yangtse. Aber ich werde überstimmt. Wir gehen ins “nourish”, das vor kurzem aufgemacht hat, es sieht aus wie ein moderner Diner, meint es aber nicht so. Das “nourish special” z.B. ist ein “Tofu in a satay sauce served on organic brown rice with teriyaki vegetables”. Maurice bestellt ein “Maroccan Tagine” (im Prinzip ein Cous Cous). Rachel einen River Rock Farm Beef Burger. Ich habe schon genug Katastrophen hinter mir, will kein Risiko eingehen und bestelle Jumbo Wings. Vorher freilich hat die Kellnerin uns ausführlich erklärt, dass das Essen “organic and natural” ist, dass alles, das in der Küche verwendet wird, aus Farmen in der Umgebung kommt, die “organic and natural” produzieren und dass auf diese Weise auch lange Transportwege vermieden werden. Und das alles mit einer Stimme, mit der man Sardinendosen aufmachen könnte. http://www.yelp.com/biz/nourish-lexington

Ich möchte gerne wissen, was der Unterschied zwischen “organic” und “natural” ist. “Oh gosh, I should know it”, sagt die Kellnerin, denkt kurz nach und sagt, “natural” sei alles, das natürlich angebaut wurde und “organic” - “that’s even more so”. Ich verstehe, mit “koscher” und “glatt koscher” ist es dasselbe. Ich hingegen achte bei Aldi nur darauf, dass der Schinken mager ist.

Es wäre der letzte Moment aufzustehen und nebenan zu dem Italiener zu gehen, wo es Pizzen gibt, die garantiert weder “natural” noch “organic”, dafür aber wagenradgroß sind. Ich würde es tun, aber Maurice und Rachel haben Niveau und Manieren, also bleiben wir sitzen. Seit ich mal in der Untersekunda dafür bestraft wurde, dass ich bei mir habe abschreiben lassen, weiss ich, dass Höflichkeit sich nicht bezahlt macht. Die nötigen Grausamkeiten müssen am Anfang begangen werden.

Das Maroccan Tagine ist vollkommen überwürzt, es schmeckt nur nach Cayenne Pfeffer, der River Rock Farm Beef Burger ist ein ganz normaler Cheese Burger, nur halb so gross und doppelt so teuer. Allein meine Jumbo Wings sind okay. Ich erkläre meinen Freunden den Begriff der “Schadenfreude”. Wir zahlen und gehen rüber ins “Via Lago”, wo wir ein paar Florentiner zum Nachtisch holen. Ich will wissen, ob sie “natural and organic” sind. Die Verkäuferin findet die Frage so daneben, dass sie uns ein Platzchen drauflegt. Wir fahren heim, unterwegs halten wir bei “Shaw’s” an und holen noch zwei Muffins. Die sind nicht “natural” und nicht “organic” - nur “home made”.

Das geht gerade noch.

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