Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena
18.08.2009 16:39 +Feedback
Das Haus schräg gegenüber dem Haus von Rachel und Maurice wird abgerissen, um Platz für einen größeren Bau zu schaffen. Dafür müssen auch ein paar Bäume gefällt werden. Die Stämme kommen in einen Häcksler, der Tonnen von Woodchip ausspuckt, kleingeraspeltes Holz, das im Garten verteilt wird. Im Sommer hält es die Feuchtigkeit im Boden, im Winter isoliert es gegen Kälte und Nässe. Das ist nicht nur praktisch, es ist “natural and organic”. Deswegen nehmen Maurice und Rachel das Angebot des Nachbarn, ihnen eine Fuhre Woodchip zu schenken, dankbar an. Leider macht der Fahrer des Lasters einen Fehler und kippt die Ladung nicht in den Garten von Rachel und Maurice sondern auf die Straße. Im feinen New England ist das so, als würde jemand sein Dixie-Klo dem Nachbarn vor die Tür stellen. Also machen sich Maurice und Rachel an die Arbeit, mit einer Schubkarre und zwei Schaufeln. Ich schaue eine Weile zu und frage mich, woran mich das erinnert? Wie hiess der Mann? Prometheus? Sisyphos? Kalamaros? Ich hole eine zweite Schubkarre und eine dritte Schaufel. So müssen sich die Halutzim vor 100 Jahren im Hule-Tal gefühlt haben. Maurice fällt zwischendurch ein, dass er den Hund ausführen muss, und weg ist er. Ich schaufele die Karren voll, Rachel macht den Rest. Nach einer Stunde überlegen wir, ob wir “Let my people go!” singen sollen oder “We shall overcome one day”. Jedenfalls liegen jetzt keine Woodchips mehr auf der Straße, ich hab ein Kilo weggeschwitzt und zu Mittag wird es Chips ‘n Fish geben.
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