Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

07.04.2009   00:31   +Feedback

Around the Mall 14

Seit über 28 Jahren wohnt und lebt Conception Picciotto vor dem Weissen Haus, direkt an der Pennsylvania Avenue. Die Reagans, Bush sen. und Bush jr. waren ihre Nachbarn, die Clintons ebenso. Jetzt sind es die Obamas. Sie hat sich aus einem großen Gartenschirm und einigen Decken ein Zelt gebaut, in das sie sich nachts zum Schlafen zurückzieht. Tagsüber hockt sie in einem Gartenstuhl vor ihrer Hütte, das Weisse Haus im Auge, eine kleine Frau unbestimmten Alters mit einem Helm über der Perücke und ohne Zähne. Aber der erste Eindruck täuscht. Conception, irgendwann und irgendwo in Spanien geboren, ist keine klassische Obdachlose, keine Bag-Lady, die mit ihren Plastiktüten von einer Parkbank zur nächsten zieht, sie ist eine Aktivistin, die seit 28 Jahren für den Frieden demonstriert.  Oder auch eine arme Sau, die irgendwann entgleist ist, ein extrem trauriges Beispiel dafür, dass Menschen, die ihr eigenes Leben nicht auf die Reihe bekommen, die Welt retten müssen, um dem eigenen Scheitern einen Sinn zu geben. “Wenn die da vernünftig werden”, hat sie mal einem Reporter der Bremer Nachrichten gesagt, “dann kann ich in die Gesellschaft zurückkehren”. Weil die da aber nicht vernünftig werden, muss Conception weiter machen, jeden Tag, bei jedem Wetter, zu jeder Jahreszeit.
Als Bush im Amt war, hat sie gegen den Irak- und den Afghanistan-Krieg demonstriert. Davon zeugt ein Plakat, das Bush als vollbärtigen Taliban zeigt: “The Real Terrorist”. Seit Obama ins Weisse Haus eingezogen ist, demonstriert Conception gegen den “Holocaust in Gaza” und den “Völkermord an den Palästinensern”. Und natürlich gegen den Zionismus an sich. Sie tut es mit Parolen, die man auch auf deutschen Websites findet, die sich der Lösung der Nahostfrage verschrieben haben. “Holocaust: A word used by Zionist to perpetrate Crimes Against Humanity” und “Anti-Semite: A word used by Zionist to perpetrate Crimes Against Humanity”. Zionisten, sagt sie, seien nämlich keine Juden, sondern Nachkommen von Kosaken. “Das hier sind richtige Juden” sagt sie und holt ein Bild heraus, auf dem Angehörige der “Naturei Karta”, einen jüdischen Sekte, zu sehen sind, die gegen den Zionismus demonstrieren. “Judaism Rejects Zionism”. Sie sehen aus wie jene Clowns aus Gottes großem Irrenhaus, die auch an der Teheraner Holocaust-Leugner-Konferenz teilgenommen haben.

Ich frage Conception, warum sie nicht gegen den Völkermord in Darfur protestiert oder das Massenmorden im Kongo. “I care for the Palestinians”, sagt sie, “and no one cares for them”. Auch der Satz kommt mir irgendwie bekannt vor. Wieso fahren alle Psychos dieser Welt dermaßen auf die Palis ab? Schliesslich will ich wissen, was sie macht, wenn sie mal muss. “That’s a problem”, sagt Conception, “a really big problem”. Wenn sie sich nur einen Meter von ihrem Zelt entfernen würde, käme die Polizei und würde alles beschlagnahmen. Ich gebe mich mit dieser Auskunft zufrieden und will nicht wissen, wie sie das Problem löst. Immerhin, der Holocaust der Zionisten an den Palästinensern ist nicht das einzige Problem, mit dem sich Conception täglich rumschlagen muss.

Siehe auch:
Funny Fanny rät zum Boykott, ist aber gegen eine Sonderbehandlung Israels
http://www.sopos.org/aufsaetze/49d639c2b77a6/1.phtml

Unrecht verlangt Widerstand!
http://www.wadinet.de/blog/?p=1577

Tipps für Trinker
http://www.nion.ca/

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