Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena
06.02.2009 18:04 +Feedback
Podiumsdiskussionen zum Antisemitismus haben eine ontologische Konstante: die Diskutanten eröffnen mit ausführlichen Eingangsreferanten und sorgen so umgehend für Schläfrigkeit und Langeweile im Publikum; im anschließenden Gespräch wird sich gegenseitig gute Gesinnung bescheinigt und aus Höflichkeit und Überzeugung Einigkeit demonstriert und jede Kontroverse vermieden. Am Ende gibt es Schnittchen mit koscherem Belag, Küsschen hier und da und die Gewissheit, dem Judenhass mal wieder tüchtig zugesetzt zu haben.
An diesem Sonntag hätte das ein wenig anders aussehen können: die Bnai Brith in Berlin wollte Prof. Wolfgang Benz und Deidre Berger auf der einen und Benjamin Weil und mich auch der anderen Seite unter dem Titel: “Zur Zukunft des Antisemitismus: Bekämpfung, Verwaltung oder Verharmlosung?” einladen. Das hätte beinahe eine echte Diskussion werden können.
Doch der Professor, Leiter des Berliner Zentrums für Antisemitismusverharmlosung, wollte nicht so recht; in seiner Absage bat er um Verständnis, “dass ich weder an einem Podium teilnehmen kann, an dem Herr Broder mitwirkt, der Antisemitismusforschung kürzlich als ‘Kaffeesatzleserei mit Wünschelrutengängern’ apostrophiert hat, noch ihm meine Gesellschaft zumuten will, nachdem er öffentlich stark seinem (sic!) Abscheu über das von mir geleitete Institut Ausdruck verliehen hat.”
Ich dagegen hätte Benzens gesellschaftliche Zumutung ertragen, Abscheu empfinde ich allenfalls gegen Bio-Müsli und Tofu als Nahrungsersatzmittel. Und ich hätte gern ein paar Fragen an die habilitierte Judenkompetenz gestellt; vielleicht hätte ich danach endlich verstanden, warum man die Juden im Allgemeinen und mich im Speziellen noch weniger mag, als wir es verdienen. Aber zum Antisemitismus hat der Professor nicht mehr viel zu sagen: er hat zwischenzeitlich sein Herz für die im Westen grausam unterdrückten und verfolgten Muslime entdeckt und sieht als Vorurteils- und Antisemitismus-Nachfolge-Forscher in der “Islamophobie” sein neues Steckenpferd.
Dann war es an Deidre Berger, der Leiterin des Berliner Büros des American Jewish Committee, zu bemängeln, dass sie nunmehr allein gegen zwei ihr unangenehme Herren anzutreten hätte. Sie fürchtete Ungemach - und Stress hat sie schon genug im eigenen Büro, wo sich mit der gerichtlichen Klärung von arbeitsrechtlichen Fragen beschäftigt.
Dabei wollte Kollege Weil nur eine kurze Einleitung ins Thema geben; die Diskussion zur Verwaltung und Verhamlosung des Antisemitismus hätte ich dann mit ihr ganz allein führen dürfen. Allein Mrs. Berger drohte gegenüber den Veranstaltern mit Absage: sie selbst habe doch einen so schönen Vortrag über Ihre Erfolge bei der Antisemitismusbekämpfung vorbereitet, Broder sei bekanntlich “unkontrollierbar”, und wer sei überhaupt dieser Herr Weil.
In eMails des AJC zur Einwerbung von Spendengeldern - ich bekomme sie regelmäßig und unaufgefordert, kein Spam-Filter schützt mich vor ihnen - heißt es stets: “What would you do without AJC?” Ich hätte darauf eine Antwort - und die Berliner Bnai Brith leider eine andere: sie nämlich sicherte Mrs. Berger zu, den unbequemen Herrn Weil auszuladen; und die Dame zeigte sich sichtlich zufrieden. Zwar steht das AJC laut Eigenauskunft für “pluralism and shared democratic values” und gegen “all forms of bigotry”. Aber das interpretiert Deutschlands fleißigster Kosherstempel-Fabrikant, das Berliner AJC, wohl anders als andere.
Fast hätte die B´nai B´rith mit knapp 100 geladenen Gästen mit Mrs. Berger allein dagesessen. Doch soviel Langeweile - das haben die Brüder und Schwestern der Loge schon erkannt - wäre unverhältnismäßig und ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit gewesen. So wurde alles abgesagt. Mrs. Berger, die solange alles falsch gemacht hat, bis ihr das Bundesverdienstkreuz an der Bluse hing, wird es verschmerzen können: der nächste Sektempfang bei Leuten, mit denen sie sich wirklich gut versteht - bei den Fischers, Steinmeiers & anderen Appeaseniks - kommt bestimmt.
Bleibt nur die Frage, was mit dem von Bnai Brith bestellten koscheren Büffet geschehen soll. Bekommt es jetzt die Berliner Tafel oder wird es tiefgefrorenen, bis das AJC eine Party gibt? Ich bin mit Herrn Weil jedenfalls bestens versorgt: wir treffen uns Sonntagabend zum Falafelwettessen. Oder auf eine Haxe. Hauptsache koscher.
© Copyright Henryk M. Broder | Impressum