Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena
02.01.2009 22:24 +Feedback
Ich habe schon immer Menschen bewundert, die morgens gut gelaunt sind und sich in der Welt zurechtfinden, noch bevor die Sonne aufgegangen ist. Respekt! Schon in der Schule bin ich meistens erst zur dritten Stunde gekommen und habe mich damit entschuldigt, dass meine Religion mir das frühe Aufstehen verbietet. Bei Mosche Zuckermann, einem “der führenden Intellektuellen in Israel”, muss das ganz anders sein. Er steht nicht nur mit den Hühnern und Eseln auf, er doziert auch sofort über Gott und die Welt. Zuletzt am 2.1.2009 um 7.50 Uhr (!) im DR Kultur. Die putzmuntere Moderatorin stellt Fragen, die Mosche Zuckermann, Frühaufsteher und Intellektueller, ebenso putzmunter beantwortet. Das hört sich so an: http://www.dradio.de/aodflash/player.php?station=3&broadcast=348714&date=20090102&/
Dann wird das Gespräch abgeschrieben und als Transskript online gestellt. Weder der Moderatorin noch der Redaktion fällt auf, dass Zuckermann von 400.000 Todesopfern spricht. denn auf drei Nullen mehr oder weniger kommt es in Zeiten der Finanzkrise nicht an. Und außerdem ist den Zionisten ja alles zuzumuten, auch dass sie in einer Woche ein Viertel der Bevölkerung von Gaza umbringen. Aber wir wollen nicht kleinlich sein. 400, das ist ein Promille von 400.000, also ungefähr dasselbe, zumindest für einen “der führenden Intellektuellen in Israel”. Vielleicht hat er Abend vor dem Interview Uri Avnerys 80. Geburtstag gefeiert und dabei eine oder zwei Maccabi-Flaschen zu viel getrunken oder er hat an einer Demo teilgenommen, die sich ein wenig in die Länge zog. Jedenfalls hat er am nächsten Morgen kurz nach 7.50 Uhr 400.000 statt 400 gesagt. Und die Moderatorin hats nicht gemerkt.
Erst nachdem sich einige Hörer bei DR Kultur erkundigt haben, ob die Zahl stimmen würde, wurde das Transskript korrigiert und mit einer Fußnote am Ende versehen: “Nach einer Richtigstellung des Interview-Gastes wurde die Zahl der Todesopfer abweichend vom O-Ton nachträglich geändert.” http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/interview/898299/
Und so heisst es jetzt im O-Ton 400.000, während im Transskript 400 steht. Früher haben Kommunisten ihre Vorgänger wegretouchiert, heute streicht DR Kultur einfach drei Nullen weg. Im O-Ton rumzuschneiden, wäre wohl zu gewagt. Schließlich ist Moshe Zuckermann einer der führenden Intellektuellen in Israel und ein Frühaufsteher, dem es auf ein paar Promille mehr oder weniger nicht ankommt.
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