Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

20.10.2008   19:56   +Feedback

Zum Pauken in den Keller

„Du schreckst aber auch vor nichts zurück“; sagte M., als ich beiläufig erwähnte, dass ich demnächst bei einer schlagenden Verbindung in Bonn lesen würde. „Es ist einfach fällig“, antwortete ich.

Und so rollten wir am letzten Buchmessetag durch das Rheintal von Frankfurt nach Bonn, mein lieber Alter Herr J. und ich, vorbei am Drachenfels und Königswinter. Im Steigenberger auf dem Petersberg machten wir eine kurze Pause, schauten runter ins Tal und gerieten ins Grübeln. Hier hatte sich seit Heines Zeiten nichts geändert. „Schiffschen, Käffschen, Teilschen, dat is alles, wat der Rheinländer braucht“, sagte mein lieber Alter Herr J. Ich nickte zustimmend und bestellte noch ein Stück Marzipantorte.

Punkt 19 Uhr trafen wir bei der „Rhenania“ ein, wo wir schon vor ein paar aufgeregten „Füchsen“ erwartet wurden. Womit ich nicht gerechnet hatte: Es waren auch Frauen da. Ich war mir sicher, dass es nur noch zwei Männerdomänen in der ganzen Welt geben würde: Das Oberrabbinat in Jerusalem und die Corps und Burschenschaften in Deutschland. Jetzt weiß ich: Es gibt nur noch eine Idee.

Mein lieber Alter Herr führte mich durch das Haus, eine prächtige Villa aus dem Ende des 19. Jahrhunderts, geschmückt mit historischen Dokumenten, alten Fotos und antiken Säbeln. Ich wollte unbedingt auf den Paukboden, wo die Mensuren gefochten werden.  Der Paukboden der „Rhenania“ liegt im Keller, es ist ein kleiner, von grellen Neon-lampen beleuchteter Raum, so anmutig wie eine leere Abstellkammer. Ich hatte mir das Ambiente romantischer vorgestellt. Mein lieber Alter Herr merkte mir die kleine Enttäuschung an, nahm einen Säbel und führte mir vor, wie Mensuren geschlagen werden: Im Stehen, auf fester Distanz zum Gegner und mit einem Arm auf dem Rücken. Nur der Arm, der den Degen führt, darf bewegt werden. Mensuren, erfuhr ich, sind keine Duelle. Es sind, anders als zu der Zeit von Ferdinand Lassalle, Mutproben und Disziplinübungen. Allerdings treten nie zwei Angehörige desselben Corps gegeneinander an, die Paukanten müssen verschiedenen Corps angehören. Früher fanden viele Mensuren im Freien statt, heute wird meistens indoors gefochten, auf dem Paukboden oder in der Großen Kneipe, wo die Corps-Feste gefeiert werden.

Nicht nur für mich war es das erste Mal, auch für die Korporierten war es eine Premiere: Sie hatten noch nie jemand „auf dem Haus“, der mal im SDS gewesen war. Aber das ist schon lange her. Seitdem hat sich vieles geändert, auch bei der „Rhenania“, der „coitus intra muros“ ist nicht mehr verboten, die Freundinnen dürfen im Haus übernachten.

Und so war es auch eine schöne Lesung, vor einem neugierigen und intelligenten Publikum - darunter etlichen auffallend attraktiven Bräuten -, das sich mit den Begriffen der Toleranz und Intoleranz so schwer tut wie der Rest der Gesellschaft. 

Um als „Fuchs“ bei der „Rhenania“ anzufangen, bin ich schon zu alt, aber für einen „Alten Herrn h.c.“ müsste es gerade reichen.

 

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