Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena
17.11.2007 18:55 +Feedback
Derzeit findet in Wien das 2o. Canetti-Symposion statt. Dass es heuer wieder stattfindet, hat vor allem damit zu tun, dass es schon 19mal stattgefunden hat. Und abgesehen von der Monarchie ist in Österreich noch nichts, das sich etabliert hat, je abgeschafft worden. In diesem Jahr geht es um ” DIE JUDEN - Eine unbekannte Nation?”, ein Thema, das nach Behandlung schreit, seit der große Judenexperte Karl Lueger (“Wer ein Jude ist, bestimme ich”) im jahre 191o sowohl aus seinem Amt als Bürgermeister von Wien wie aus dem Leben geschieden ist. Leider ist das Programm des Symposions so aufregend wie eine Fahrt mit dem Riesenrad auf dem Prater. http://gmmf.org/symposDown_can07_de.htm Der Wiener Rabbiner Paul Eisenberg referiert über die Frage, ob es schon im alten Ägypten Antisemitismus gab, der Historiker Frank Stern führt “Bilder des Jüdischen im Film vor und nach der Shoah” vor, Vladimir Vertlib aus Salzburg spricht über “Die Lage der Juden zu Zeiten der UdSSR und nach ihrem Zerfall” - lauter Themen, die sogar den Prinzen Orlofsky vom Sofa hauen würden. Wirklich spannend zu werden verspricht nur der Vortrag der weltbekannten Canetti-Expertin aus Tübingen, Felicja Langer, die sich aber bei der Wahl ihres Themas vertan haben muss: “Die Entrechtung der Palästinenser”. Das hat nun wirklich wenig bis gar nichts mit Canetti zu tun, es sei denn, er war auch ein Palästinenser, irgendwie.
Vermutlich hat Frau Langer, die sich auch schon erfolglos um eine Nebenrolle bei den “desperate housewives” beworben haben soll, nicht genau hingeguckt, von wem sie da eingeladen wurde - von der “Gesellschaft für Masse- und Macht-Forschung (GMMF)”. Und das klingt so ähnlich wie “Gesellschaft zum Schutz von Bürgerrecht und Menschenwürde e.V. (GBM)”, bei der Frau Langer vor einem Jahr zu Gast war. Was die GBM ist, darüber gehen die Meinungen etwas auseinander. Ein harmloser Verein zur Pflege der Ostalgie, wo Goldbroiler mit Salatgarnitur serviert und Erinnerungen an die DDR ausgetauscht werden, sagen die einen; ein Traditionsverein ehemaliger Stasi-Leute, sagen andere. http://de.wikipedia.org/wiki/Gesellschaft_f%C3%BCr_B%C3%BCrgerrechte_und_Menschenrechte So rum oder so rum, jedenfalls verleiht die GBM seit 1996 jedes Jahr einen “Menschenrechtspreis”. Was etwa so witzig ist, als würden die Veteranen der Waffen-SS einen “Friedenspreis” verleihen. Frau Langer jedenfalls fand nichts dabei, den “Menschenrechtspreis” der GBM anzunehmen und sich für diese Ehre zu bedanken, denn vor ihr waren schon andere große Kämpfer für Menschenrechte von der GBM ausgezeichnet worden, u.a. Fidel Castro aus Havanna und die Schauspielerin Käthe Reichel aus Berlin, nur um die bekanntesten zu nennen.
Leider ist die Rede, die sie bei der GBM gehalten hat, im Netz nicht zu finden, aber sie dürfte nicht viel anders sein als die Ansprache, die sie im Dezember 2oo6 auf den Pazifismus-Tagen der Gesellschaft “Kultur des Friedens” in Tübingen gehalten hat und die bei “muslim-markt” nachzulesen ist, einer Site, die sich ebenfalls der “Kultur des Friedens” widmet, wenn sie nicht gerade Islamkritikern wünscht, Allah möge sich ihrer annehmen, was manche auch als Mordaufruf mißverstehen. http://www.muslim-markt.de/wtc/diverse/fuer_das_menschenrecht.htm So befindet sich Frau Langer immer in bester Gesellschaft. http://www.felicia-langer.de/
Einer wird jedenfalls bei ihrem Auftritt nicht dabei sein: Michael Wolffsohn aus München. Als der Historiker davon erfuhr, dass er mit Felicja Langer diskutieren sollte, wurde es ihm leicht übel und er sagte seine Teilnahme ab: aus gesundheitlichen Gründen.
Siehe auch: Kundschafter des Friedens
http://www.tagesspiegel.de/politik/deutschland/Stasi-Spionage-DDR;art122,2422048
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,518000,00.html
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