Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena
13.03.2008 17:24 +Feedback
Flug 803 der Intersky von Graz nach Berlin verlief problemlos, wenn man davon absieht, dass an Bord nicht einmal Wasser gereicht wurde. Weil die Landung ein wenig rau war, kam meine Linzertorte in zwei Teilen in Tempelhof an, sonst schien alles in bester Ordnung. Ich setzte mich neben das Gepäckband und wartete auf meine zwei Taschen, die ich in Graz eingecheckt hatte. Nach etwa 1o Minuten fiel mir auf, dass sich nichts bewegte, nicht einmal das Gepäckband. Ich ging rüber zum Intersky-Schalter, wo ein junger Mann im blauen Hemd so tat, als würde er arbeiten. Von ihm erfuhr ich, dass mein Gepäck im „Auslandsteil“ auf mich warten würde, während ich im „Inlandsteil“ auf mein Gepäck wartete. Zwischen dem einen und dem anderen Teil liegen etwa 2o Meter und eine Sperre, die man nur in einer Richtung passieren kann. Ob jemand von Intersky so nett sein und mir helfen könnte? „Sicher“, sagte der junge Mann im blauen Hemd, „aber erst wenn die Maschine abgefertigt ist“.
Ich setzte mich hin und schaute meine Linzertorte begierlich an. Nach weiteren zehn Minuten ging ich wieder zum Intersky-Schalter. Diesmal war der junge Mann noch hilfsbereiter. „Ich bin nicht zuständig“, sagte er, „ich bin heute überhaupt nicht im Dienst.“
Ich wartete weitere zehn Minuten. Dann war eine halbe Stunde um, ein Drittel der Flugzeit.
Ich packte meine Digi-Kamera aus und ging wieder zum Intersky-Schalter. Falls Intersky jemals einen Wettbewerb „Der freundliche Mitarbeiter der Woche“ machen würde, wollte ich ihm eine Chance geben. Er freilich hatte keinen Ehrgeiz, für seinen Einsatz belohnt zu werde, griff zum Telefon und rief die Polizei. Eine Minute später waren zwei Beamte der Bundespolizei da und baten mich, zur Dienst-stelle mitzukommen. Der junge Mann im blauen Hemd kam mit.
Einsatzleiter Müller (Dienstnummer E 109718) machte sich mit dem Fall vertraut und verlangte von mir die Herausgabe meiner Kamera, um die Bilder, die ich gerade gemacht hatte, zu löschen. Ich hätte, sagte er, mich strafbar gemacht, der junge Mann im blauen Hemd (den er duzte) sei keine Person öffentlichen Interesses. Der behauptete zudem, von mir beleidigt worden zu sein, konnte sich aber nicht mehr erinnern, wie und wodurch. Herr Müller von der Bundespolizei ließ sich meinen Personalausweis geben, kopierte ihn und verlangte noch einmal ultimativ die Herausgabe der Kamera, die ich ihm verweigerte. Für den Fall, dass ich mich vom Tatort entfernen würde, drohte er mit der Anwendung „unmittelbaren Zwanges“. Und weil ich nicht kooperierte, forderte er bei der Landespolizei Verstärkung an.
Ich nutzte die Wartezeit, um meinen Anwalt anzurufen, der Einsatzleiter Müller darüber aufklärte, dass er im Begriff war, sich der Nötigung und Freiheitsberaubung im Amt schuldig zu machen. Herr Müller widersprach: Es gehe um eine „strafbare Handlung“, die er verhindern müssen. Inzwischen waren zwei Kollegen der Berliner Landespolizei eingetroffen; ich, meine Linzertorte und die Digi-Kamera waren von insgesamt fünf Ordnungshütern umstellt. Nach einer knappen Stunde und einer weiteren Intervention meines Anwalts durfte ich gehen, ich musste nur versprechen, die Bilder nicht ins Internet zu stellen.
Nach dieser Erfahrung rate ich von Flügen mit Intersky ab. Aber die Bundespolizei in Tempelhof kann ich jedermann nur empfehlen. Die tun was.
HMB, Bln, 13.3.08
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