Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena
01.04.2000 13:06 +Feedback
Sehr geehrter Herr Broder
Sie schreiben im Tagesspiegel, ich hätte keinen Grund auf Sie böse zu sein, nur weil Sie meine “IM-Akte aus der Ablage” geholt haben? Ich bin nicht böse. Keinesfalls. Ich wollte ja meine Akte öffentlich machen. Jedoch nicht durch Sie! Bedenklich scheint mir, daß der Wahrheitsgehalt Ihrer Veröffentlichungen mitunter dem der Stasi-Akten entspricht. Ist es Alzheimer oder Kalkül? Da Sie offensichtlich Wert darauf legen, daß ich Ihnen in Zukunft die Hand gebe, verspreche ich es beim nächsten Mal zu tun. Aber vorher sollten Sie:
Mit freundlichen Grüßen gez. B. Thalheim
ad 1.
frau thalheim irrt. was sie “politische hygiene” nennt, war ein deal, den sie mit einem kollegen der FR hatte, der auf ihrer akte wochenlang saß, ohne darüber zu schreiben. erst nachdem er erfuhr, daß ich ebenfalls die akte habe, hatte er es plötzlich sehr eilig, rief mich an und machte mir ein “angebot”, daß wir die akte gleichzeitig publik machen.
ich habe auch nie mit frau thalheim telefoniert und schon gar nicht versucht, sie einzuschüchtern. da versagt ihr IM-trainiertes gedächtnis.
es war ein kollege, der sie anrief und um eine stellungnahme bat, worauf sie erklärte, sie würde mit dem SPIEGEL nicht reden, und es wäre ihr egal, was der SPIEGEL über sie schreiben würde. dies zu einem zeitpunkt, als sie sich noch der hilfe des FR-kollegen sicher war.
ad 2.
frau thalheim hat darauf verzichtet, nach der veröffentlichung im SPIEGEL die ihrer ansicht nach falschen fakten zu korrigieren. statt weist sie heute auf die vorab-richtigstellungen eines ihr freundschaftlich verbundenen journalisten hin, der sich vor allem darum bemüht hat, daß die akte nicht publik wird.
ad 3.
inzwischen müßte selbst frau thalheim wissen, daß es IMs gab, die selber berichte schrieben und IMs, deren mündliche berichte niedergeschrieben wurden. ich gebe frau thalheim ihre akte gerne zur einsicht, damit sie sich davon überzeugen kann, daß die berichte nicht über sie verfaßt wurden, sondern von ihr über ihre kollegen dem jeweiligen protokolanten erzählt wurden. ihre “verpflichtung” hat sie zudem handschriftlich abgegeben. oder hat ihr ein böser stasi-mann dabei die hand geführt?
ad 4.
frau thalheim scheint noch immer nicht in der bundesrepublik angekommen zu sein, wenn sie meint, es sich aussuchen zu können, wer über sie berichten darf und wer nicht. herr panzer vom ZDF, den ich aus freundlichkeit als herrn o. anonymisiert habe, darf, ich darf nicht. das macht auch den unterschied zwischen herrn panzer und mir aus: er findet nichts dabei, einen stasi-spitzel auf eine party zu bitten, ich bin da etwas kleinlicher.
es ist mir vollkommen egal, womit sich IM heiner, diesmal “in seiner eigenschaft als mdb”, im moment die zeit vertreibt.
ich kann gut leben, ohne auch nur den daumen von frau thalheim drücken zu wollen.
henryk m. broder, 28.3.2ooo
1.4.2000
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