Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena
01.04.2000 13:03 +Feedback
Es ist schon einige Jahre her, daß der Wiener Bildhauer Alfred Hrdlicka dem Sänger Wolf Biermann “die Nürnberger Gesetze an den Hals” wünschte, weil Biermann ein paar zutreffende Gemeinheiten über Gregor Gysi geschrieben hatte. Was die Sache damals besonders makaber machte: Hrdlicka gilt als Antifaschist, Biermanns Vater wurde in Auschwitz ermordet. Nun erleben wir ein Remake dieser Affäre, wieder grenzüberschreitend, wobei der Verbal-Nazi diesmal ein Jude ist und das Objekt des Vernichtungswunsches ein französischer Autor.
Der Reihe nach: Im Magazin TIP vom 2 März erschien eine Rezension des Films “Die letzten Tage”, es war ein kluger und differenzierter Verriß eines “Dokumentarfilms”, der keiner ist, und wie alle Produkte der Shoah-Foundation die Hollywoodisierung des Holocaust betreibt - auf Kosten der Opfer und der Wahrheit. Der Autor hieß Gerard Wajcman, ob er ein französischer Jude oder nur Franzose ist, tut nichts zur Sache.
In der folgenden TIP-Ausgabe vom 16. März erschien ein längerer Leserbrief von Artur Brauner, über den jedermann weiß, daß er Jude, Überlebender und Filmproduzent ist. Brauner war mit dem Wajcman-Text nicht einverstanden. Ihm hatten “Die letzten Tage” gut gefallen, was kein Wunder ist, denn Artur Brauner gefallen sogar die Filme, die er selbst produziert . Das wäre noch akzeptabel, wenn Brauner nicht folgendes über Wajcman geschrieben hätte:
“Es ist zu bedauern, daß dieses Individuum nicht 2o oder 25 Jahre früher geboren ist, um dann als sicheres Opfer des Hitler-Regimes entweder getötet worden zu sein oder in einem Lager vegetiert zu haben, am geeignetsten wäre Auschwitz für ihn…” Und damit niemand auf die Idee kommt, Brauner meine es nicht so, wie es da steht, legt er am Ende noch mal nach: “Zum Schluß wiederhole ich den Gedankengang, den ich am Anfang vorbrachte, daß nämlich zu bedauern ist, daß Wajcman nicht während des Hitler-Regimes schon so erwachsen war, daß die Möglichkeit bestanden hätte, daß er wie alle anderen nach Auschwitz deportiert worden wäre.”
Es gab bis jetzt schon wenig Grund, Artur Brauner aufgrund seiner öffentlichen Stellungnahmen (zuletzt für Helmut Kohl) für einen besonders klugen und wortgewandten Menschen zu halten. Aber dumm sein und Offene Briefe schreiben, ist eine Sache, braunes Zeug daherschwätzen und einem Kritiker den Tod in Auschwitz wünschen, eine andere: unentschuldbar, unverzeihbar, unfaßbar.
Brauner ist durchgeknallt. Vielleicht war er das schon immer. Oder er kommt aus dem Kino nicht mehr heraus. Das Leben als Film: Onkel Artur marschiert durch Berlin und schreit “Ab nach Auschwitz!” Unser “Atze” in der Rolle seines Lebens: Außen Jude, innen Nazi?
und so ging die geschichte weiter: ein paar zeitungen nahmen sich der sache an und drehten das rädchen ein wenig weiter. andreas nachama kam zu wort (“völlig inakzeptabel…, narretei”), lea rosh (“der mann ist völlig durchgeknallt und unverantwortlich”), brauner selbst hielt eine weile die klappe und ließ seine tochter alice, die nicht ganz so schierch ist wie ihr vater aber genau so doof, erklärungen abgeben. der “berliner zeitung” teilte sie schriftlich mit: “wenn wir broder definieren sollten, würden wir ihn aufgrund seiner feindlichen artikel gegenüber allen jüdischen und israelischen menschen als eine person bezeichnen, die dem nazigeist nahe ist.” ja, so fein formulieren es menschen, die im grunewald wohnen und ihren hagebuttentee mit abgespreiztem kleinen finger trinken. alice brauner hat sich, im gegensatz zu mir, um das judentum verdient gemacht. sie hat einen unschuldigen jungen deutschen, den sie in einer bar abgeschleppt hat, dazu gebracht, zum judentum zu konvertieren. nun büßt er an ihrer seite für das, was die deutschen den juden angetan haben. dann gab “atze” der “allgemeinen jüdischen wochenzeitung” ein interview, in dem er u.a. sagte: “über broder möchte ich mich nicht auslassen, sonst würde ich ihm vorwerfen, daß er der größte lebende jüdische antisemit ist.” ja, und atze brauner ist der größte lebende jüdische denker, ein mann, den alexander roda roda im sinn gehabt haben muß, als er sagte: “aus dem antisemitismus könnte schon was werden, wenn sich nur die juden seiner annehmen würden.”
1.4.2000
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